Montag, 7. Mai 2012

Gangsteher

Jeder kennt diese Menschen.

20 Minuten vor der Ankunft werden sie langsam unruhig. Rutschen schon ein wenig im Stuhl hin und her, schauen immer wieder mal auf die Uhr und betrachten abschätzend das Gepäcknetz und das darin verstaunte Übergewicht ÜbergGepäck.

15 Minuten vor dem Anhalten wird dann leise zum Nachbarn geflüstert "dürfte ich mal grad...". Und gemeint ist damit "dürfte ich mal grad durch". "Na klar". Dann wird fleißig am Gepäck herumgebastelt und die Lektüre, der PC, die Butterbrotdose, die 2l-Maxi-Colaflasche, die Thermoskanne, das Privathandy, das Diensthandy und der obligatorische Fahrtenausdruck von der Onlinebuchung verstaut.


10 Minuten vor dem Aussteigen macht sich am anderen Wagenende der Fahrkartenkontrolleur lautstark mit "Die Faaaaaaaaahrkartn biddeeeee" oder "Isthiernochjemandzugestiegen" bemerkbar. Das bereits im Gang stehende Nervenbündel nestelt im gerade gepackten Koffer herum und zieht einen recht verknüddelten A4-Bogen heraus.

 (das ist zwar im Flieger - aber da ist es ja quasi genau so; abgesehen davon, dass die ersten Gurte schon knallen, wenn der Flieger gerade mehr oder weniger beherzt aufgeschlagen wurde)

5 Minuten vor der Final Destination kommt der Fahrtenkontrolleur näher, während der Gangsteher schon mit den Hufen in Richtung Tür scharrt. Man sieht die Gedanken "wieso gehen die da vorne nicht", "ich komme bestimmt nicht rechtzeitig raus", "will sonst niemand aussteigen", "och uns jetzt noch die Fahrkarten", "hab ich alles" und "*tilt*".

2 Minute vor Türöffnung geht es dann zur Sache. Der Gangsteher schiebt den vor sich befindlichen Gangsteher ein wenig an - schließlich muss man ja langsam mal aufrücken. Der Umgangston wird etwas härter "darf ich MA DURCH" - "ich steh doch AUCH hier!". Der Kontrolleur hat sich schon längst aus dem Staub gemacht, die Fahrtkarte befindet sich aber noch in der zusammengeballten Faust. Schweißperlen auf der Stirn.

Wie ein Sektkorken geht die Tür auf und es ergießt sich der Strom der Gangsteher auf den Bahnsteig. Als der Gang dann langsam leerer wird, packen lässig die anderen Fahrgäste ihre Sachen und schlendern zur Tür.

Im ICE wurde noch nie jemandem die Tür vor der Nase zugehauen. Wir sind hier nicht in der S-Bahn.

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